30 Jan

1. Lesung: Dtn 18,15-20; 2. Lesung: 1 Kor 7,32-35;
Evangelium: Mk 1,21-28

Liebe Schwestern und Brüder,

am vergangenen Sonntag haben wir gehört, wie Jesus sein öffentliches Wirken begonnen hat und die ersten Jünger berufen hat.

Er hat sie zu "Menschenfischern" gemacht. Und da geht es Jesus nicht darum, dass sie Menschen ködern und unfrei machen; genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn ein Fischer Fische aus dem Lebensraum Wasser holt, bedeutet das für die Fische den Tod. Für den Menschen kann aber das Meer tödlich sein und zum "Ort des Todes" werden, wo er ertrinkt. Wenn Jesus die Jünger als Menschenfischer in seine Nachfolge ruft, dann deshalb, damit sie Menschen aus allem, was sie unfrei macht und was lebensfeindlich oder todbringend ist, in den Lebensraum Gottes bringen.

Und da schließt unmittelbar das Evangelium des heutigen Sonntags ein. Die Predigt Jesu, dass das Reich Gottes nahe ist, entfaltet seine direkte und unmittelbare Wirkung.

Die Menschen in der Synagoge sind erstaunt und erschrocken über die neue Lehre mit Vollmacht. Da kommt nicht einer wie die Schriftgelehrten, der aus der Schrift Zusammenhänge erschließt und auf verschiedene Themengebiete anwendet, der aus der Schrift zitiert etc. Er tritt mit eigener Vollmacht auf. Er braucht nicht die Schrift, um sich und seine Botschaft zu legitimieren. Er legitimiert aus sich heraus die Schrift. Er ist "der Heilige Gottes".

Und das irritiert und verstört. Die neue Vollmacht bringt gewohnte Denkmuster und Traditionen ins Wanken. Der unreine Geist bringt es zum Ausdruck: "Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?" (Mk 1,24)

Erstaunlich ist, dass sich das alles in einer Synagoge zuträgt, dort wo normalerweise ja Gott und sein Wort an erster Stelle stehen sollte. Und genau dort kommt es zum Crash: Der mit göttlicher Vollmacht eine neue Lehre verkündet, der Menschen in den Lebensraum und in die Freiheit Gottes bringen möchte, steht im Verdacht, Verderben zu bringen. Die Heiligkeit Gottes, die in Jesus hereinbricht, stellt auch religiöse Praktiken in Frage und legt falsche Abhängigkeiten und Zwänge offen. Sie legt den religiösen Missbrauch offen, wo Menschen nicht Gottes Wort verkünden, sondern Religion und Gott missbrauchen, um Menschen abhängig zu machen. Jesus, der Heilige Gottes, grenzt sich deutlich davon ab; er zieht eine deutliche Grenze zwischen dem "unreinen Geist", der die Würde des Menschen verletzt und bedroht, und seinem Bereich - der Heiligkeit Gottes.

Und nochmals: das alles ereignet sich im heiligen und scheinbar sicheren  Bereich einer Synagoge. 

Ein alter Priester hat zu mir einmal gesagt: "In jeder Kirche hat der Teufel seine Kapelle". In mittelalterlichen Kirche gibt es häufig sogenannte Teufeltritte, die den Kirchenbesucher an die Gefährdung gerade des "Heiligtums" erinnern sollten. Wenn jede und jeder von uns auch ein "Tempel des Hl. Geistes" ist, dann gilt diese Gefährdung auch für diese "Heiligtümer".

Auch wir können immer und immer wieder in Versuchung fallen, dass wir unsere eigenen Ideen als Ideen Gottes verkaufen und somit den "unreinen Geistern" Tür und Tor öffnen. Dazu gehört vor allem die Gefahr, sich selbst mit seinen Ansichten absolut zu setzen, genau zu wissen, was gut und böse ist, was die Wahrheit ist. Was die Wahrheit ist, kann uns nur Christus zeigen, der die Wahrheit ist. Und im Letzten ist diese Wahrheit für uns Menschen unergründlich. Sie erschließt sich für uns in der Nachfolge Christi. Dazu gehört das Bewusstsein, dass ich nur heilig durch Christus werde, nie aus eigenem Verdienst und durch eigenes Können.

Als religiöse Menschen stehen wir immer in der Versuchung, mit Gott Macht auszuüben. Wie oft ist im Namen Gottes Unrecht geschehen und sind Menschen seelisch, körperlich und geistlich missbraucht worden! Und da ist Jesus gekommen, Menschen "zu fischen", ihnen Luft zum Atmen zu schenken: "Die Zeit ist erfüllt! Das Reich Gottes ist nahe"- Gott wendet sich dem Menschen zu, weil er ihn liebt - das ist Gnade!

Die Heiligkeit Gottes zeigt sich in seiner unbedingten und vollendeten Liebe.


Kommentare
* Die E-Mail-Adresse wird nicht auf der Website veröffentlicht.
DIESE WEBSEITE WURDE MIT ERSTELLT